Die Diskussion rund um Künstliche Intelligenz (KI) hat längst die Welt der Unternehmenssoftware erreicht. Während Großunternehmen bereits seit Jahren mit Data-Science-Teams und selbst entwickelten Algorithmen experimentieren, stehen viele mittelständische Betriebe vor der Frage: Was bringt KI konkret für meine Warenwirtschaft? Ist sie wirklich ein echter Produktivitätshebel – oder doch eher ein Marketing-Hype?
Gerade in Zeiten von steigenden Anforderungen an Effizienz, Lieferfähigkeit und Transparenz lohnt sich der Blick auf neue Technologien. Dieser Beitrag beleuchtet praxisnah, wie KI-gestützte Funktionen im ERP- und Warenwirtschaftskontext funktionieren, wo der reale Nutzen liegt – und worauf Unternehmen beim Einstieg achten sollten.
In modernen ERP-Systemen – etwa Microsoft Dynamics 365 Business Central, SAP Business One oder vergleichbaren Plattformen – werden KI-Funktionen zunehmend in alltägliche Prozesse eingebettet. Ziel ist es, Routinetätigkeiten zu automatisieren, menschliche Entscheidungen zu unterstützen und Prozesse intelligenter zu gestalten. Ein paar typische Beispiele:
Automatische Auftragserfassung: Mithilfe von KI können Systeme eingehende E-Mails erkennen, relevante Bestelldaten extrahieren und automatisch Verkaufsaufträge erstellen. Das spart Zeit, reduziert Übertragungsfehler und beschleunigt die Auftragsabwicklung erheblich.
Lager- und Bestandsoptimierung: KI-Algorithmen analysieren Bewegungsdaten, Saisonverläufe und historische Trends, um Vorschläge für Nachbestellmengen, Sicherheitsbestände oder Lagerplatzzuweisungen zu machen – deutlich präziser als klassische ABC-Analysen.
Einkaufsautomatisierung: Systeme können auf Basis von Lieferantenverhalten, Preisentwicklungen und Bedarfsschwankungen Bestellvorschläge generieren. Bei Engpässen werden sogar alternative Lieferanten vorgeschlagen – ohne dass jemand manuell eingreifen muss.
Dokumentenverarbeitung: Eingehende Rechnungen, Lieferscheine oder Retourenbelege lassen sich durch KI-basierte Texterkennung (OCR) automatisiert auslesen und den passenden Vorgängen zuordnen. In Kombination mit DMS-Workflows reduziert sich der Buchungsaufwand erheblich.
Forecasting & Absatzplanung: Besonders in dynamischen Märkten wie Handel oder E-Commerce ist eine gute Absatzprognose entscheidend. KI-gestützte Vorhersagemodelle integrieren verschiedene Einflussgrößen – vom Wetter über Social-Media-Trends bis hin zu Retourenquoten – um realistische Mengenplanungen zu ermöglichen.
Gerade für mittelständische Unternehmen mit schlanken Strukturen bedeutet KI nicht, alles neu denken zu müssen. Stattdessen können gezielte Funktionen in bestehende Systeme integriert werden – oft bereits als Standardfunktionen im ERP oder über Zusatzmodule.
Der Vorteil liegt weniger im „Wow-Effekt“, sondern im Alltag. Wenn ein Lagerist weniger nachhaken muss, weil Belege automatisch ergänzt wurden. Wenn der Einkauf seine Disposition in Minuten statt in Stunden erledigt. Oder wenn Rückfragen im Vertrieb reduziert werden, weil der Copilot in Echtzeit Zusammenfassungen zu Kundenanfragen liefert.
Auch neue Anforderungen – etwa im Bereich Nachhaltigkeit oder Compliance – lassen sich durch KI besser bewältigen, etwa durch die automatisierte Auswertung von CO₂-Daten entlang der Lieferkette.
Natürlich ist nicht jede KI-Funktion ein Gamechanger. Manche Anwendungen wirken aktuell noch unausgereift oder zu generisch. Der wahre Mehrwert entsteht dort, wo KI konkret Arbeitsprozesse unterstützt, repetitive Aufgaben reduziert und Menschen bei Entscheidungen unterstützt – ohne sie zu ersetzen.
Das setzt voraus:
saubere, strukturierte Daten (Stammdatenpflege!)
durchdachte Prozesse
und eine klare Vorstellung davon, wo KI wirklich entlasten kann.
Unternehmen, die mit Pilotprojekten starten und gezielt Feedback einholen, können sich so schrittweise an den Einsatz herantasten – und die Akzeptanz im Team gezielt aufbauen.
Für mittelständische Firmen lohnt sich ein pragmatischer Einstieg in KI-basierte Workflows. Die folgenden Schritte haben sich in der Praxis bewährt:
Use Cases identifizieren: Welche Prozesse im Unternehmen sind repetitiv, regelbasiert oder datengetrieben? Hier setzt KI besonders effektiv an.
Bestehende ERP-Funktionen nutzen: Viele Systeme wie Business Central oder SAP bieten bereits integrierte KI-Funktionen – etwa für Belegerkennung, Chat-Assistenz oder Prognosen. Diese lassen sich oft ohne große Investitionen aktivieren.
Datenqualität sicherstellen: KI ist nur so gut wie ihre Datenbasis. Deshalb lohnt es sich, Stammdatenprojekte (Artikel, Kunden, Lieferanten) mit hoher Priorität zu behandeln.
Pilotprojekte umsetzen: Beginnen Sie mit einem klar abgegrenzten Anwendungsfall – etwa automatisierter Rechnungseingang oder KI-gestützte Disposition – und sammeln Sie Erfahrungen.
Mitarbeitende mitnehmen: Schulungen, klare Kommunikation und nachvollziehbare Ergebnisse fördern die Akzeptanz. Wichtig: KI ersetzt keine Mitarbeitenden, sondern hilft ihnen, produktiver zu arbeiten.
KI-gestützte Warenwirtschaft ist kein Hype, sondern ein echter Hebel für mehr Effizienz und Qualität – wenn sie richtig eingesetzt wird. Wer die Technologie als Ergänzung zur menschlichen Erfahrung versteht und gezielt in den Alltag integriert, profitiert doppelt: durch schnellere Abläufe und fundiertere Entscheidungen.
Mittelständische Unternehmen sind besonders gut aufgestellt, um diesen Weg pragmatisch zu gehen – mit überschaubarem Aufwand, aber hoher Wirkung. Der Schlüssel liegt darin, Potenziale zu erkennen, realistische Ziele zu setzen – und einfach mal zu starten.